Trulli – von einfachen Feldbauten bis hin zum Weltkulturerbe (Maurin, 2f)

• Abbildung 1: Schlafnische eines restaurierten Trullos mit Lüftungsfenster (eigene Fotografie)

Müde von der langen Autofahrt nach Apulien liege ich auf meinem Bett und blicke in den steinernen Spitz eines Trullo hinauf. In diesem Moment frage ich mich, ob wohl solch ein Trullo schwierig zu bauen ist, da es aus mehreren Schichten zu bestehen scheint. In meinem Trullo gibt es in der einen Wand ein kleines quadratisches Fenster mit einem langen dahinterliegenden Kanal, dies dient der Belüftung. Doch trotz offenem Fenster bleibt der unverwechselbare angenehme Geruch eines Trullo im Raum. Dieser intensive Geruch stammt vom Kalk der Bausteine, mit welchem der Fussboden ausgelegt ist. Etwas stutzig machte mich jedoch der verwendete Mörtel in meinem Trullo, da man ursprünglich Trulli ohne Mörtel gebaut hat. Aufgrund dieser Fragen machte ich mich daran, mehr über die Trulli zu erfahren und fuhr dazu in die Trullistadt Alberobello.

Aufbau

Abbildung 2: Aufbau und Querschnitt eines Trullo (abfotografiert von Handzettel, gekauft am 09.10.18 in Alberobello)

Der Aufbau eines Trullo ist eigentlich relativ schlicht. Von aussen sieht ein Trullo zwar kompliziert aus, insbesondere wegen seiner runden Form, der Kuppel und dem zulaufenden Spitz. Betrachtet man einen Querschnitt erkennt man aber schnell, dass es sehr einfach zu bauen ist. Ein ursprüngliches Trullo besteht nicht aus vier Seitenwänden wie die meisten Häuser, sondern aus einer runden Form. Die äusserste Schicht ist ein Kalkanstrich, der über die dahinter aufgestapelten Steine aus Kaneel gestrichen wird. Diese beigefarbenen Steine sind meist rechteckig geschnitten, damit sie gut zu einem Spitz aufgestapelt werden können. Die Steine aus Kaneel werden in zwei Reihen aufgestapelt, die Lücke zwischen den beiden Reihen wird mit einer Gesteinsmasse aufgefüllt. Der Boden eines Trullo besteht aus Kalkgestein in mehreren Schichten. Die in einen Spitz verlaufende Decke besteht ebenfalls aus den Steinen aus Kaneel. Über diese Steine werden dünne Kalksteinplatten gelegt, welche man auch Chiancarelle nennt.

Abbildung 3: Ursprüngliches, dem Verfall überlassenes Trullo auf einem Feld (eigene Fotografie)

Diese Steine sind meist grau und werden einzeln von Hand gehauen und Stück für Stück händisch platziert. Unten sind sie abgerundet, damit der Regen gut abfliessen kann. Der Spitz eines Trullo, der aus Kalkstein und aus Kaneel besteht, ist bis zum Pinnacoli (Zinnen als Dachabschluss) meist etwa 4.50 Meter hoch, die runde Seitenwand ist etwa 3.70 Meter hoch.

Grundriss

Abbildung 4: Grundriss modernes Trullo, Schnappschuss von PDF aus Scholz, H. Die Trulli Apuliens: Beiträge zur Siedlungsgeographie von Süditalien

Ursprünglich hatten die auf den Feldern stehenden Trulli einen runden Grundriss mit nur einem Wohnraum. Mittlerweile ist der Grundriss eines Trullo mehrheitlich quadratisch und ein Trullo besteht hauptsächlich aus zwei Räumen, einem Wohn- und einem Schlafraum. Der Eingang eines Trullo ist meist etwa 2 Meter breit, dahinter befindet sich gleich der Vorraum.

Abbildung 5: Verbreitetste Pinnacoli der Trulli (abfotografiert von Handzettel, gekauft am 09.10.18 in Alberobello)

Rechts des Vorraums das Wohnzimmer mit Küche, welcher meist in einer runden Form gebaut wird. Links des Vorraums befindet sich das Schlafzimmer mit einer rechteckigen Form. Am hinteren Ende des Vorraums befindet sich das WC. Auf dem Spitz des Trullo bildet ein sogenanntes Pinnacoli (Dachzinne) den Abschluss. Dies hat je nach Trullo eine andere Form, jedoch keine konkrete überlieferte Bedeutung. Die Hausbesitzer wählten dies ganz nach ihrem Geschmack.

 Symbole

Auf den grauen Dächern der Trulli hat es meistens ein mit weisser Farbe aufgemaltes Symbol. Dieses dient aber nicht, wie viele denken, als Dekoration, sondern wurde meist aus religiösen Gründen aufgemalt. In Alberobello sieht man auf fast jedem Trulli solche Symbole.

Verwendungszweck und Verbreitungsgebiet

Abbildung 9: Der Natur überlassenes Trullo, ursprünglich als Vorratskammer genutzt (eigene Fotografie)

Trulli kamen früher eigentlich nur auf Feldern vor, dort dienten sie als einfachen Unterschlupf für die dort lebenden Bauern sowie als Stall oder Vorratskammer. In diesen Trulli konnten die Bauern damals vor den Wettereinflüssen geschützt schlafen oder ihre Ernte verstauen und für später aufbewahren. Trulli hatten damals ihren primären Verwendungszweck entweder als Wohnung oder als Lagerplatz. Dadurch, dass sie sehr dicke Wände mit nur sehr kleinen Fensterchen haben sowie aus festem Naturgestein gebaut werden, bieten sie einen guten Schutz gegen die heisse Sommerhitze in Apulien. Im Winter hingegen speichert ein Trullo die durch ein kleines Feuer erzeugte und durch den langen Kamin abgeleitete Wärme sehr gut.

Abbildung 10: Restauriertes Trullo für touristische Nutzung (abfotografiert von Handzettel, gekauft am 09.10.18 in Alberobello)

Den mündlichen Überlieferungen nach wurden die im 17. Jahrhundert im Auftrag des Grafen Giangirolamo II. Acquavia d’Aragona erbauten Häuser damals ohne Mörtel gebaut, weil man für mörtellose Bauten keine Steuern zahlen musste. Im Zweifelsfalle liess sich ein solches nicht fest zusammengebautes Trullo bei einem überraschenden königlichen Besuch ganz schnell abbauen und konnte nachher wieder einfach aufgerichtet werden.

Am meisten verbreitet sind die Trulli in Apulien im Tal d’Itria welches in der Region zwischen den Provinzen Bari, Taranto und Brindisi liegt. Oft lassen sich auch noch heute einzelne Trulli oder Trulliansammlungen in diesen Gebieten finden.

Heute werden Trulli meist für Touristen gebaut oder renoviert. In diesen kann man sehr komfortabel schlafen und meist sind sie recht luxuriös ausgestattet. Die auf den Feldern errichteten Trulli werden heute kaum mehr genutzt und sind dem Zerfall überlassen.

Alberobello

Die ersten Trulli in Alberobello stammen aus dem 14. Jahrhundert. Erst im 17. und 18. Jahrhundert wuchs Alberobello zu einer grösseren Siedlung heran, bedingt durch den Aufruf des damals herrschenden Grafen an die Bauern, die steppenartige Landschaft urbar zu machen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts zählte die Siedlung gut 3’500 Einwohner. 1779 erhielt Alberobello sogar den Titel der königlichen Stadt von dem damals herrschenden König aus Neapel. Ein Quartier von Alberobello besteht auch heute noch ausschliesslich aus Trulli und ist als UNESCO Weltkulturerbe geschützt. In diesem Viertel gibt es auch die ansonsten seltenen Doppel – Trullo Häuser. Es gibt nur ein einziges Trullo welches doppelstöckig gebaut ist. Die Trulli in Alberobello werden bei den Grundmauern weiss gestrichen, während die Trulli, die sich zwischen Locorotondo und Selva di Fasano befinden, oft mit einem blauen und rötlichen Ton angestrichen werden.

Abbildung 11: Trulli in Alberobello mit den typischen Symbolen und Pinnacoli (abfotografiert von Handzettel, gekauft am 09.10.18 in Alberobello)

Auf der Rückfahrt von Alberobello erspäht mein nunmehr geschultes Auge immer wieder alte Trulli in den Feldern. Zurück auf dem Anwesen meines Trullos schlendere ich umher und entdecke selbst auf dem Gelände zwei alte, dem Verfall überlassene Trulli.

Literaturverzeichnis

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